Björn Lakenmacher, MdL

Flüchtlingsheime

Polit-Streit um MAZ-Recherchen

In der Brandenburger Politik ist ein Streit um die Recherche-Ergebnisse eines Reporters entbrannt, der in der MAZ undercover über mangelhafte Zustände in Flüchtlingsheimen berichtet hat. Was geht dort wirklich vor sich? Die Regierung gesteht Mängel ein, wiegelt aber ab. Die Opposition sieht sich bestätigt. Bei der CDU spricht man von „unhaltbaren Zuständen“.
Potsdam. Die Undercover-Recherchen des aus Pakistan stammenden Journalisten Shams Ul-Haq, veröffentlicht in der MAZ, haben im Landtag zu einer heftigen Kontroverse zwischen der Opposition auf der einen und dem Innenministerium sowie Regierungsparteien auf der anderen Seite geführt. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und mehrere leitende Mitarbeiter hatten die zahlreichen Vorwürfe aus den MAZ-Reportagen nachprüfen lassen und kamen zu dem Ergebnis: „Bei der Herausforderung, täglich bis zu 500 Menschen aufzunehmen, konnte nicht immer alles problemlos laufen.“ Der Innenminister schränkte aber ein: „Bei nur wenigen Dingen, die nicht funktionierten, hat das Gros hervorragend geklappt.“ Viele Befunde des Journalisten seien subjektive Beobachtungen, die sich nicht nachprüfen ließen. d87e0b1c-ec4e-11e5-b7a5-8144e9bd9449 Der aus Pakistan stammende Reporter Shams ul-Haq hat sich eine Woche lang verdeckt in Unterkünften in Eisenhüttenstadt, Berlin Tempelhof und Dresden aufgehalten – und fotografiert. Wir haben einige seiner Eindrücke in einer Bildergalerie festgehalten Zur Bildergalerie So habe sich kein Mitarbeiter der für die zentrale Aufnahmestelle zuständigen Wachschutzfirma dazu bekannt, dem als Inder auftretenden Reporter zur Annahme einer syrischen Identität geraten zu haben – damit dieser bessere Bleibe-Chancen in Deutschland habe. Es sei wenig überraschend, dass dies niemand in einem Personalgespräch zugebe, merkte der AfD-Abgeordnete Steffen Königer an. Der Innenminister sagte weiter, er besuche oft unangekündigt die Unterkünfte. „Unsere Erstaufnahmen sind keine geschlossenen Einrichtungen – man muss sich nicht undercover einschleichen.“ Der Undercover-Journalist Shams Ul-Haq (40) stammt aus dem weiteren Umland Islamabads und kam vor 25 Jahren als Asylbewerber nach Deutschland. Der Journalist wohnt in Frankfurt (Main). 2007 begann seine Karriere bei der „Welt“ mit einem Interview mit Pakistans Staatschefin Benazir Bhutto. Ul-Haq machte sich einen Namen als Terrorismusexperte in Europa und arbeitet zurzeit für viele europäische Medien, unter anderen den TV-Sender N24, die Schweizer Sonntagszeitung und die Wiener Zeitung. Um Missstände aufzudecken schleuste sich Ul-Haq mehrfach in Asylbewerberheime ein. CDU-Bundestagsabgeordnete in Wünsdorf abgewiesen Schröter verwies auf die Tage der offenen Tür für alle, die sich „ein authentisches Bild machen“ wollten. Dem hielt der CDU-Abgeordnete Sven Petke entgegen, er möchte gern einmal sehen, wie Schröter sich „als König David unter die Heimbewohner mischt“. Der Minister werde doch „sicher erkannt an der Pforte“. CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher verwies darauf, es sei keineswegs so einfach, sich ein Bild von der Lage in den Unterkünften zu machen. So sei der CDU-Bundestagsabgeordneten Jana Schimke der Zugang zur Erstaufnahme in Wünsdorf (Teltow-Fläming) verweigert worden. Nach MAZ-Informationen hatte das Innenministerium die Abgeordnete in einem Brief über „Grundregeln der Höflichkeit und eines vertrauensvollen Umgangs miteinander“ belehrt, weil Schimke ihren geplanten Besuch einen Tag vorher angekündigt hatte. Grüne: Innenministerium reagiert wie angegriffene Behörde Nach zweistündiger Debatte warf der CDU-Abgeordnete Petke dem Innenminister vor: „Hier wird die Nebelmaschine angeworfen – und die Regierungsfraktionen machen eifrig mit.“ Das Land kontrolliere das mit der Betreuung fast aller Flüchtlingsunterkünfte beauftragte Rote Kreuz nicht genügend. Aus Sicht Petkes sind die Zustände in den Heimen katastrophal. Eine Kernkritik des Undercover-Reporters Shams Ul-Haq, der eine Woche in Asylunterkünften lebte und in der MAZ darüber schrieb, ist der seiner Beobachtung nach ungeregelte Zugang zu den Heimen. Dazu nimmt das Innenministerium Stellung: Bewohner dürften Besuch empfangen. Laut Erstaufnahme-Leiter Frank Nürnberger sind die Unterkünfte „kein Jungmädchenpensionat, wo ab 20 Uhr Nachtruhe herrscht“. An allen Standorten würden Fremde Besucherausweise erhalten und abends zum Gehen bewegt. Eine totale Kontrolle sei aber unmöglich. Für die Grünen, die wie die CDU auf die Ausschusssitzung gedrängt hatten, sagte Marie Luise von Halem, sie hätte sich vom Minister „eine differenziertere Sichtweise gewünscht und dem Undercover-Journalisten gegenüber Dank für seine andere Perspektive“. Statt die Erkenntnisse einer verdeckten Recherche als Chance wahrzunehmen, reagiere das Ministerium lediglich als „angegriffene Behörde“, so von Halem. Unterdessen verhandelt Brandenburg weiter mit Berlin über die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Hauptstadt. Eine Einigung über die Größe des Kontingents gibt es noch nicht. Laut Innenminister hänge das davon ab, wie viele freie Plätze es in den nächsten Monaten in Brandenburger Erstaufnahmen gebe. Derzeit ist nur etwa ein Drittel der rund 5600 Plätze in den Erstaufnahme-Einrichtungen belegt.