Björn Lakenmacher, MdL

Der Duldung folgt die Duldung

Tausende Asylbewerber klagen gegen Abschiebung

Brandenburg hat im ersten Halbjahr 326 ausreisepflichtige Asylbewerber abgeschoben. Bundesweit waren es 12 545 – zu wenig wie Kritiker nach der Messerattacke eines abgelehnten Migranten auf einen Supermarkt-Kunden in Hamburg bemängeln. Aber die Hürden für Abschiebungen liegen hoch und die Verwaltungsgerichte haben Tausende Klagen auf dem Tisch.
Nach der tödlichen Messerattacke eines Palästinensers auf einen Supermarkt-Kunden in Hamburg werden verschärfte Regeln gegen ausreisepflichtige Asylbewerber gefordert. Der Städte- und Gemeindebund verlangt zentrale Abschiebezentren, da die Kommunen mit der Unterbringung abgelehnter Asylbewerber überfordert seien. Ausreisepflichtige, die nicht freiwillig Deutschland verlassen, müssten abgeschoben werden. „Das sichert in der Bevölkerung Akzeptanz für Flüchtlinge mit Bleiberecht“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Bislang seien die Zahlen nicht zufriedenstellend. Auch in Brandenburg wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres erst 326 Ausländer abgeschoben – entweder in ihr Heimatland oder gemäß Dublin-Vertrag in das EU-Land, in dem sie zuerst registriert worden waren. Das Potsdamer Innenministerium bestätigte am Dienstag einen Bericht der Bildzeitung. Die Zahl decke sich mit der des Vorjahreszeitraums, so Ministeriumssprecher Ingo Decker. Ein seriöser Vergleich sei aber erst mit der vollständigen Jahresstatistik möglich. Deutschlandweit gab es laut Bundesinnenministerium im ersten Halbjahr 12 545 Abschiebungen (im Vergleichszeitraum des Vorjahres 13  743). Über ein gefördertes Programm verließen von Januar bis Juni 407 Ausländer Brandenburg (im Vorjahreszeitraum 506). Bundesweit wurden bis Ende Juni 16 645 Ausreisen finanziell unterstützt (2016: 54 006). „Es ist wie es ist“, kommentierte Decker die Angaben. Die Hürden für Abschiebungen seien sehr hoch. „Abgelehnten Asylbewerbern steht der Rechtsweg offen – und das kann Jahre dauern.“ Minderjährige Kinder, Krankheiten, die Aufnahmeverweigerung der Herkunftsländer und fehlende Papiere seien häufige Gründe, die Ausreise zu stoppen. „Es ist möglich, ohne Papiere nach Deutschland einzureisen, aber nicht auszureisen“, so Decker. Die meisten Asylsuchenden sind Syrer 2016 wurden aus Brandenburg 795 Ausländer in ihre Heimat abgeschoben oder in die EU-Länder ihrer Erstregistrierung zurückgeschickt (2015: 806, 2014: 114). Die größte Gruppe – zumeist Tschetschenen – wurde 2016 nach Russland abgeschoben (358). Im Jahr davor waren es Serben (289). Hohe Abschiebekontingente betrafen auch Albanien. Seit die Balkanstaaten als sichere Drittländer gelten, ist die Zahl der Asylsuchenden zurückgegangen. Die meisten Asylsuchenden kamen 2016 aus Syrien in die Mark (3288). Im Jahr zuvor – auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle – war es noch 13 688. Als Bürgerkriegsflüchtlinge anerkannt sind knapp 9500 Menschen. Etwa die Hälfte aller 32 000 Asylbewerber in Brandenburg liegt im Rechtsstreit mit den Behörden um ein Bleiberecht oder ist bereits rechtskräftig zur Ausreise verpflichtet. Laut Innenministerium liegen bei märkischen Verwaltungsgerichten die Klagen von etwa 10 000 Migranten gegen negative Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Solange darüber nicht entschieden ist, wird ihr Aufenthalt geduldet. Brandenburgs Verwaltungsgerichte verfügen nicht einmal ansatzweise über ausreichend Richterstellen, um die Flut von Neuzugängen zeitnah und inhaltlich korrekt zu bewältigen, so Wilfried Kirkes vom Bund Deutscher Verwaltungsrichter. Das Folgeproblem dabei: Wird der Fall nicht zügig abgearbeitet, folgt oft eine weitere Duldung. Diese verwaltungsintern „Kettenduldung“ genannte Praxis verfestigt den Aufenthaltsstatus, obwohl er rechtlich gar nicht besteht. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Björn Lakenmacher, befürchtet dadurch erhöhte Sicherheitsrisiken auch in Brandenburg. Aktuelle Fälle zeigten, dass abgelehnte Migranten in kriminelle Milieus abtauchten oder sich islamistischen Terrornetzwerken anschlössen. „Abschiebung darf nicht länger die Ausnahme sein, sondern muss zur Regel werden“, so Lakenmacher. Auch er plädiert für zentrale Abschiebezentren an den Grenzen. Zudem müsse Brandenburg rasch eine Lösung für den im Frühjahr geschlossenen Abschiebegewahrsam des Landes finden. Der gut 100 Plätze umfassende Knast in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) war aus Sicherheitsgründen dicht gemacht worden. Derzeit werden Abschiebehäftlinge quer durch die Republik kutschiert, um sie in anderen Bundesländern unterzubringen.