Björn Lakenmacher, MdL

Kontroverse Sichten auf Polizeigesetz

Kommt im Land der Staatstrojaner?

Darf im ganzen Land Brandenburg künftig eine Schleierfahndung durchgeführt werden? Dürfen Polizisten heimlich in Wohnungen eindringen? Darf auf den Handys und Computern von Verdächtigen heimlich ein Staatstrojaner eingespielt werden, also eine Software zur Überwachung der Kommunikation?
Solche Fragen standen am Mittwoch im Zentrum einer Anhörung des Innenausschusses im Potsdamer Landtag. Das Gremium hatte eine Reihe von Experten eingeladen, um über den Entwurf der Landesregierung und einen konkurrierenden Entwurf der CDU für ein neues Brandenburger Polizeigesetz zu beraten. Bei vielen Experten fielen beide Entwürfe durch. So sah der Professor an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, Clemens Artz, bei der Einführung der Schleierfahndung Verstöße gegen EU-Recht. Einen Dammbruch begehe die Regierung gar bei der Forderung nach heimlichen Wohnungsdurchsuchungen. Und der Richter am Berliner Landgericht, Ulf Buermeyer, warnte vor Kollateralschäden im Bereich Datensicherheit beim Einsatz eines Staatstrojaners. Um ihn auf einem Gerät einzusetzen, braucht es eine Sicherheitslücke auf dem betreffenden System. „Es gibt keine guten Lücken für die Polizei und böse Lücken für Cyberkriminelle, es gibt nur unsichere Systeme“, so Buermeyer. „Wenn die Polizei Lücken findet, können sie auch von chinesischen oder russischen Hackern genutzt werden oder von einem 20jährigen Hacker in Hessen.“ Und die Landesdatenschutzbeauftragte Dagmar Hartge machte darauf aufmerksam, dass es in den Gesetzen keine Regelungen gibt, wie solche Programme nach erfolgtem Einsatz wieder von den Geräten entfernt werden. „Die Person muss eventuell auf Dauer mit infizierter Software leben“, sagte Hartge. „Das stellt ein massives rechtsstaatliches Problem dar.“ Zudem gebe es keine Stelle, die den Einsatz solcher Software überwache. Praktiker aus der Polizei äußerten sich dagegen positiv über die Gesetzesentwürfe. Der frühere Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt sagte, dass andere polizeiliche Maßnahmen die Erkenntnisse einer Überwachung von Messengerdiensten oder einer Online-Durchsuchung nicht ersetzen könnten. Gerade islamistische Gefährder seien oft schwer einzuschätzen. „Entscheidend ist die Gedankenwelt der Person, die im Focus ist, um zu sehen, welche Absichten sie hat“, so Kandt. Dafür sei aber die Überwachung der Kommunikation des Betreffenden nötig. Ähnlich äußerte sich der Vertreter der Gewerkschaft der Polizei Jörg Göhring: „Je mehr Befugnisse die Polizei hat, desto mehr Straftaten werden auch aufgeklärt.“ Der GdP-Vertreter sprach sich ferner dafür aus, die Möglichkeit einer elektronischen Fußfessel in das Gesetz aufzunehmen. Dies sei viel weniger einschneidend als eine personelle Observation von Gefährdern durch Polizeibeamte. „Es ist ohnehin unmöglich, alle Gefährder rund um die Uhr zu überwachen.“ Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Björn Lakenmacher unterstützte diee Forderungen. Dagegen machte der Linken-Abgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg deutlich, dass die Linkspartei die Online-Durchsuchungen und Staatstrojaner nur auf laufende Kommunikation von Verdächtigen beschränken wolle. Und sein Fraktionskollege Thomas Domres warnte davor, dass Bodycams und andere Datenaufzeichnungen auch beim Versammlungsrecht oder vor Fußballspielen zum Einsatz kommen könnte. Schon das machte deutlich, dass wohl noch viel Wasser die Havel hinabfließen wird, bevor der Potsdamer Landtag ein Polizeigesetz in zweiter Lesung verabschieden kann. Doch schon am 14. Juni haben die Abgeordneten eigentlich die letzte Plenarsitzung in dieser Legislaturperiode angesetzt. Ob es also vor der Landtagswahl ein neues Polizeigesetz gibt, ist deswegen eine offene Frage.