Björn Lakenmacher, MdL

NSU-Untersuchungsausschuss

Dicker Bericht, dünnes Ergebnis

Der Brandenburger NSU-Untersuchungsausschuss bleibt am Ende hinter seinen Möglichkeiten zurück – auch weil sich die Parteien nicht einigen können.
3282 Seiten ist der Abschlussbericht des Brandenburger NSU-Untersuchungsausschusses stark. Insgesamt 291 Stunden tagten die Abgeordneten, vernahmen 100 Zeugen und bearbeiteten 210 Beweisanträge. Doch am Ende steht Uneinigkeit: In den etwas mehr als drei Jahren, die seit dem Einsetzungsbeschluss im April 2016 vergangen sind, konnten sich die Abgeordneten nicht zu einer gemeinsamen Bewertung oder einheitlichen Handlungsempfehlungen durchringen. Und als die Mitglieder des Ausschusses am Montag ihren Bericht in Potsdam vorlegten, präsentierten sie auch insgesamt sieben verschiedene Sondervoten. Umstritten bleibt beispielsweise die Frage, ob durch eine rechtzeitige Weitergabe der Informationen des Brandenburger V-Mannes „Piatto“ die von dem rechtsextremen Terrortrio verübten Morde hätten verhindert werden können. „Es gibt keine Belege dafür, dass die Brandenburger Sicherheitsbehörden einen Zugriff verhindert hätten“, sagte der Obmann der SPD-Fraktion im NSU-Ausschuss, Björn Lüttmann. „Aus unserer Sicht erfolgte die Informationsweitergabe klar im Sinne des geltenden Rechts.“ Ganz anders sehen das die übrigen Fraktionen: „Das Unterlassen der Weitergabe von Informationen über das Trio ist eindeutig rechtswidrig gewesen“, sagte der Linken-Obmann Volkmar Schöneburg. „Wir sind der Meinung, dass die Erkenntnisse, die Piatto 1998 im Blick auf die Bewaffung und auf Überfallpläne des Trios geliefert hat, zwingend hätten weitergegeben werden müssen“, sagt die Grünen-Obfrau Ursula Nonnemacher. „Es hätte die Chance bestanden, dass die Strafverfolgungsbehörden da hätten herankommen können.“ Die Grünen sähen deswegen eine Mitverantwortung des Landes Brandenburg für die NSU-Morde. Und Nonnemacher sprach sich als Einzige auch dafür aus, dass sich das Land finanziell an der Entschädigung der NSU-Opfer beteiligen sollte. „Die klare Aussage, dass man das Trio hätte verhindern können, können wir so nicht treffen“, sagte der CDU-Obmann Björn Lakenmacher. „Schmerzhaft“ sei aber die Erkenntnis, dass der Brandenburger Verfassungsschutz richtig analysiert habe, dass von dem Trio eine Gefahr ausgebe, diese Information aber nur mündlich und ohne den nötigen Nachdruck weitergegeben wurde. Beeinflusst wurde der Ausschuss in seinen letzten Wochen vor allem von der Debatte über das Brandenburger Verfassungsschutzgesetz. „Wir hatten da eine gewisse Eigendynamik“, sagte Ursula Nonnemacher, die den Einsatz von V-Leuten beim Verfassungsschutz zugleich „ausgesprochen kritisch“ nannte. Und Volkmar Schöneburg kündigte erneut an, unter dem Eindruck des NSU-Ausschusses dem Verfassungsschutzgesetz nicht zustimmen zu können. „Der Wert des Verfassungsschutzes im Kampf gegen rechts hat sich für uns nicht gezeigt“, sagte Schöneburg. Die Linken plädierten deswegen langfristig für eine Abschaffung des Geheimdienstes und die Einführung einer Koordinierungsstelle zur Dokumentation neonazistischer, rassistischer und antisemitischer Einstellungen sowie sonstiger Erscheinungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Sollte das nicht gelingen, sollte man wenigstens „auf das V-Mann-Wesen verzichten“, sagte Schöneburg. „Ich habe überhaupt kein Vertrauen in den Einsatz von Spitzeln.“ Und auch Björn Lakenmacher erklärte, dass gerade im Blick auf die Verbesserung der parlamentatischen Kontrolle und die Minderheitenrechte die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes zu dünn sei. Kritik geübt wurde verschiedentlich auch an der Arbeitsweise des Ausschusses und dessen Versorgung mit Informationen. Während sich der AfD-Abgeordnete Franz Wiese darüber beklagte, dass das Gremium alle Anträge seiner Fraktion stets abgelehnt habe, kritisierte Lakenmacher den Umgang des Innenministeriums mit den Wünschen des Ausschusses. „Ich hatte oft den Eindruck, dass das Ministerium des Inneren die Akten erst einmal grundsätzlich als vertraulich einstuft und wartet, ob es Gegenwind gibt, und dann überhaupt erst prüft, ob man eine He­rab­stufung vornehmen kann“, sagte Lakenmacher. „Wir wissen um das Geheimschutzinteresse, aber auch darum, dass hier ein öffentliches Interesse der parlamentarischen Kontrolle durch den Untersuchungsausschuss und ein Interesse an der Strafverfolgung bestand“, betonte Lakenmacher.