Wilde Anträge als Show für die Klientel
Am Freitag platzte selbst dem CDU-Landtagsabgeordneten Björn Lakenmacher der Kragen. "Wenn wir im Ausschuss Facharbeit machen, machen Sie gar nichts", rief er in einer Debatte zum islamistischen Terrorismus.
"Das Einzige, was Sie machen können, ist hier wilde Anträge zu konstruieren, um vor ihrer Klientel eine Art Arbeitsnachweis zu haben." Gemeint war mit dem Wutausbruch die Fraktion der "Alternative für Deutschland" (AfD). Am Freitag hatte sie wieder mal eine ganze Reihe von Anträgen auf die Tagesordnung des Parlaments setzen lassen: Man forderte ein Verbot der Gesichtsverschleierung im Straßenverkehr, ein Handlungskonzept der Landesregierung zur Steigerung der Geburtenrate, Einreiseverbote für Terroristen und Islamisten. Allen Anträgen gemein war, dass es sich um plakative und populistische Forderungen handelte, die von allen übrigen Fraktionen des Landesparlaments geschlossen abgelehnt wurden. Ein Beispiel: das Verbot der Gesichtsverschleierung. "Ein Verschleierungsverbot soll zwecks unserer Sicherheit im Straßenverkehr für Fahrzeughalter gelten", sagte der Abgeordnete Thomas Jung (AfD)."Die Gesichtsverschleierung ist eine islamistische Demutsmanifestation." Sie stelle im Straßenverkehr eine Gefahr dar. Doch sowohl Andrea Johlige (Linke) als auch Barbara Richstein (CDU) wiesen in ihren Gegenreden darauf hin, dass das Tragen von Burkas im Straßenverkehr bereits verboten sei. Zudem würde der AfD-Antrag in letzter Konsequenz auch das Tragen von Motorradhelmen verbieten. "Das, was Sie hier betreiben, ist eine Debatte, die sich eigentlich bereits erledigt hat, und die Sie gerne am Laufen halten möchten", warf Johlige der AfD vor. "Und da Ihre Anträge zur Verschleierung im öffentlichen Raum bereits gescheitert sind, wird der kalte Kaffee also ein weiteres Mal aufgewärmt. Kann man machen, muss man aber nicht." Ein weiteres Beispiel: die Änderung des Schulgesetzes. Obwohl es im Brandenburger Landtag durchaus üblich ist, Gesetze in lediglich zwei Lesungen abzuhandeln, stellte die AfD am Mittwoch plötzlich den Antrag auf eine dritte Lesung und eine weitere Befassung des zuständigen Bildungsausschusses. Ihr Redner Steffen Königer sprach sich für eine weitere Expertenanhörung aus. Weil die Geschäftsordnung des Landtags jeder Fraktion das Recht gibt, eine dritte Lesung und in Verbindung damit eine weitere Ausschussbefassung zu verlangen, musste der Landtag der AfD zunächst Folge leisten. Doch im Ausschuss hatte es bereits im Mai eine Anhörung zur Änderung des Schulgesetzes gegeben. Die AfD hatte zum Termin selbst keinen Experten benannt. Und auch auf nennenswerte Fragen hatte Königer damals verzichtet. Spät am Mittwochabend tagte deswegen der Bildungsausschuss, lehnte den AfD-Antrag ab, und setzte die dritte Lesung für Freitag an. "Es ist ihr gutes Recht, die Geschäftsordnung zu nutzen, um sich nach allen Regeln der Kunst zu blamieren", sagte am Freitag dann der Bildungspolitiker der CDU, Gordon Hoffmann. Gerade die Ausschüsse seien für die Abgeordneten da, um Informationen zu erlangen und zu vertiefen. Dort könnten die Politiker auch Fragen stellen. "Machen Sie nicht", sagte Hoffmann an die Adresse der AfD gerichtet. In der parlamentarischen Sacharbeit habe die AfD nichts vorangebracht. Sie habe sich als "parlamentarischer Totalausfall" erwiesen, so Hoffmanns Einschätzung. Doch die meisten Anhänger der AfD dürften solche Kritik gar nicht bemerken. Wenn im Landtag ihre Anträge abgelehnt werden, nutzt die Fraktion das für populistische Gegenangriffe. Dass der Antrag über den Plan zu einer Geburtensteigerung abgelehnt wurde, ist für die AfD-Abgeordnete Birgit Bessin lediglich ein Zeichen des "Unwillens der Altparteien, die Zukunft Brandenburgs aktiv zu gestalten". Im Selbstmarketing ist die AfD den übrigen Fraktionen weit voraus. Zum Beispiel in den sozialen Medien: Mehr als 17 000 Menschen haben die Facebook-Seite der Fraktion derzeit abonniert. Alle Reden aus den Landtagsdebatten werden dort eingestellt, und fleißig geteilt. Wer diese Reden anschaut, sucht wohl kaum nach den Reden der übrigen Fraktionen – schon die im Verhältnis deutlich geringere Zahl der Follower der anderen Facebook-Seiten spricht dagegen. Die AfD hat sich ihre eigene Parallelöffentlichkeit geschaffen. Und da spielt es vermutlich keine Rolle mehr, wie sachlich die Anträge der Fraktion sind und was die übrigen Mitglieder des Landtags davon halten. Wichtig ist es nur, der eigenen Klientel eine Art Arbeitsnachweis zu verschaffen, wie es Lakenmacher völlig richtig formulierte.